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Biodiversitätsschutz senkt Risiko für Pandemien

Der UN-Biodiversitätsrat warnt davor, dass Pandemien zunehmen werden, sollten Natur und Artenvielfalt nicht besser geschützt werden. Mit pauschalen Verordnungen könne die Erhaltung der biologischen Vielfalt jedoch nicht gewährleistet werden, warnen Wissenschaftler*innen des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung. Damit Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt eine präventive Wirkung gegen künftige Pandemien entfalten, müssten sie regionale und lokale Besonderheiten ebenso berücksichtigen wie das lokale Wissen und die Bedürfnisse der Menschen. Diese Empfehlungen für einen sozial-ökologischen Gestaltungsansatz sind jetzt in der Zeitschrift Global Sustainability erschienen.


Beziehungen zwischen Natur und Gesellschaft besser verstehen


„Weltweit gültige Schutzvorschriften zum Erhalt der Biodiversität sind wichtiger als je zuvor, aber sie lösen nicht automatisch das Problem der zunehmenden Wildtier-Kontakte und Zoonosen“, sagt Biodiversitätsexperte Florian Dirk Schneider, Erstautor der Publikation, die gerade in der Zeitschrift Global Sustainability erschienen ist. Um wirksame und vor allem gerechte Maßnahmen für Biodiversitätsschutz als Prävention von Zoonosen zu entwickeln, müsse das Augenmerk auf die spezifischen regionalen und lokalen Bedingungen gelenkt werden. Denn Art und Ausmaß, wie Menschen die Natur nutzen, können regional sehr verschieden und auch unterschiedlich motiviert sein. „Gesellschaftliche und ökologische Bedingungen beeinflussen Bedürfnisse und Lebensstile, die wiederum weitreichende Auswirkungen auf die Nutzungsintensität von natürlichen Ressourcen haben können“, sagt Schneider. So könne der Hinzugewinn von landwirtschaftlichen Flächen oder die Wilderei von ökonomischen Zwängen und Anreizen getrieben werden und für Menschen vor Ort bisweilen alternativlos erscheinen. Ähnliches gelte für die Marktbedingungen der Viehhaltung in Industrieländern, die kaum Spielraum für Gesundheitsüberlegungen zuließen. Schneider betont: „Wir müssen diese Beziehungen und Nutzungsdynamiken zwischen der Gesellschaft und der Natur besser verstehen.“


Pauschale Vorschriften zum Biodiversitätsschutz sind nicht ausreichend


Anstatt rigide von oben pauschale Vorschriften zu verordnen, empfehlen die ISOE-Autor*innen, bestehende Nutzungen und Praktiken genauer zu verstehen und in Entscheidungen für Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz einzubeziehen. „Es ist zwingend notwendig, dass die verschiedenen Werte, Traditionen und sozialen Normen, die den gesellschaftlichen Umgang mit der Natur in unterschiedlichen Gemeinschaften in Regionen der südlichen wie der nördlichen Hemisphäre, in städtischen wie in ländlichen Lebensräumen prägen, verstanden und in gemeinsame Lösungen zum Erhalt der Artenvielfalt einbezogen werden“, betont auch Marion Mehring, Mitautorin und Leiterin des Forschungsschwerpunkts Biodiversität und Bevölkerung am ISOE. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass getroffene Maßnahmen die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung nicht adäquat widerspiegeln und somit entweder nicht akzeptiert werden oder an den Bedürfnissen vorbeigehen.


Komplexe Dynamik von Naturnutzung, Artenvielfalt und Zoonosen


Um Artenschutz gleichzeitig als wirksame Prävention gegen künftige Zoonosen zu entwickeln, seien gerade das vielfältige, lokale Wissen der Bevölkerung ebenso wie Institutionen und angewandte Technologien vor Ort unerlässlich, schreiben die ISOE-Autor*innen. „Die Anstrengungen zum Erhalt der Biodiversität müssen mehr denn je inter- und transdisziplinär gestärkt werden“, betont Mehring. „Wir können die Dynamik im Zusammenspiel von Naturnutzung, Artenvielfalt und der Entstehung zoonotischer Krankheiten nur aufbrechen, wenn wir die vielfältigen sozial-ökologischen Wechselwirkungen und Abhängigkeiten verstehen, die dieser Dynamik zugrunde liegt. Dafür greift eine rein naturwissenschaftliche Sicht zu kurz.“ In ihrer Publikation beschreiben die Autor*innen daher einen integrierten sozial-ökologischen Forschungsansatz, der explizit die Beziehung und Wechselwirkungen von Biodiversität und Gesellschaft adressiert, für die Analyse und nachhaltige Ausrichtung von lokalen Nutzungsdynamiken von Biodiversität als Prävention gegen Zoonosen.


Neue Praktiken der Ko-Existenz von Natur und Gesellschaft


Das Autorenteam schlägt in seinem Artikel sechs Prinzipien für eine sozial-ökologische Gestaltung von Biodiversitätsschutz als wirksame Prävention gegen Zoonosen vor. Als Antwort auf die gegenwärtigen Krisen sollen diese für Forschende und Entscheidungsträger bei der Beschreibung und dem Aufzeigen von Lösungswegen für eine Ko-Existenz mit der Natur eine Orientierung bieten. „Wenn wir die sozial-ökologischen Gestaltungsprinzipien bei der Entwicklung von Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität konsequent berücksichtigen, können wir im gleichen Zug das Risiko künftiger Pandemien reduzieren“, sagt Mehring. Mehr noch: „Die Gestaltungsprinzipien bieten eine Grundlage für nachhaltige Lösungswege im direkten Umgang mit der Natur vor Ort – immer auch mit Blick auf die globalen Herausforderungen.“


Originalpublikation:

Florian D. Schneider, Denise M. Matias, Stefanie Burkhart, Lukas Drees, Thomas Fickel, Diana Hummel, Stefan Liehr, Engelbert Schramm, and Marion Mehring (2021): Biodiversity conservation as infectious disease prevention: why a social-ecological perspective is essential. Global Sustainability. Cambridge University Press, 4, p. e13. doi: 10.1017/sus.2021.11

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