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Nahrungsmittel als Geschäft

Wer George Orwells Roman „1984“ kennt, der dürfte sich angesichts der fortschreitenden Oligopolbildung auch in der Lebensmittelbranche an den „Großen Bruder“ erinnert fühlen. Allerdings ist im Gegensatz zu Orwells erdachten Auswüchsen einer Schicksal spielenden gesellschaftspolitischen Allmacht unsere heutige Welt durch mehr oder weniger freiwillige Realitäten gekennzeichnet, die wohl auch der Schriftsteller nie für möglich gehalten hätte: auf der einen Seite die bis zu einer wirtschaftlichen Exekutive wuchernde Präsenz global agierender Konzerne, auf der anderen Seite der zu Wachstumshörigkeit erzogene Konsument, der seinem Kauf-Laster freudig durch Schnäppchenjagden frönt und weder die Entscheidungen seiner gewählten Volksvertreter noch jene der Wirtschaftsbosse und Verbandsfunktionäre in Frage stellt. Denn längst geht es nicht mehr nur um einzelne Unternehmen, deren Geschäftspraktiken fragwürdig sind, sondern um Monopolisten, die in einem weltweiten Netzwerk von Tochterunternehmen und Beteiligungen versponnen sind und sich über alle Branchengrenzen hinweg einverleiben, was Maximalprofite verspricht, ohne je für die negativen Begleiterscheinungen dieser ressourcenfeindlichen Expansion zur Rechenschaft gezogen, geschweige zur Kasse gebeten zu werden.


Die enorme Markenvielfalt in den Supermarktregalen täuscht darüber hinweg, dass die gesamte Nahrungsmittelkette längst ein Opfer der Monopolisierung geworden ist (siehe Tabelle). Eine Studie der OECD kam bereits 2003 zu dem Schluss, dass in Zukunft „nur vier oder fünf Supermarktketten… international tätig sein“ und „20 bis 25 multinationale Unternehmen… den Lebensmittelsektor weltweit dominieren“ werden.


Beherrschen einige wenige Unternehmen den Markt, schränkt das auch die freie Wahl der Verbraucher ein: Weil er keine Unterschiede innerhalb der Produktgruppen feststellen kann, wird er auch nicht nach bestimmten Kriterien wie Herstellungsmethoden, Zutaten, Umwelt- oder Tierwohlaspekten auswählen können. Verschleiern gehört zu einer der wesentlichen Strategien der Branche. Obwohl sie das Gegenteil beteuern, haben die Konzerne keinerlei Interesse an gut informierten Konsumenten. Schließlich verdienen sie ihr Geld mit dem Versprechen der Gaumenfreuden ohne Reue und ohne negative Folgen: Pro Jahr setzen beispielsweise allein Nestlé, Unilever, Danone, Friesland/Campina und der Fleischkonzern VION zusammen 140 Milliarden Euro um. Oxfam, ein Verbund aus verschiedenen Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, der sich für eine gerechtere Welt ohne Armut einsetzt, errechnete für die zehn weltgrößten Lebensmittel- und Getränkehersteller Einnahmen von zusammen mehr als 1,1 Milliarde Euro pro Tag. So kann sich Coca Cola rühmen, dass in jeder Sekunde 19.400 Softdrinks konsumiert werden.


Die Politik macht sich immer häufiger zum Büttel der Großindustrie, ob durch entsprechende Entscheidungen oder durch die freigiebige Vergabe von Subventionen. Beispielsweise zählen zu den größten Profiteuren von Exportsubventionen Zucker-, Milch-, Fleisch- und andere Lebensmittelkonzerne wie Vion (6,7 Millionen), Südzucker (35 Millionen), August Storck (3,3 Millionen), Tönnies-Fleisch (2,7 Millionen), Nordmilch (1,8 Millionen), Kraft Foods (250.000 Euro), Zott und Nestlé (je 250.000 Euro) sowie das unter anderem in der Verwertung pflanzlicher und tierischer Restprodukte tätige Familiengroßunternehmen Rethmann (2,6 Millionen). Statt die Millionen an Steuergeldern Millionären zu schenken, könnte sich die Politik für eine grundlegende Umverteilung von Agrarsubventionen einsetzen, um die Landwirtschaft umweltfreundlicher und die Tierhaltung artgemäßer zu gestalten und dafür zu sorgen, dass Bauernhöfe mit vielen Arbeitsplätzen überlebensfähig bleiben.

Ohnehin bewegen sich Lebensmittelkonzerne oft auf moralisch wie ethisch dünnem Eis.


Immer wieder werden sie von Verbraucherschützern wegen ihrer aggressiven Werbung gerügt oder aufgerufen, sich mehr und ehrlicher um gesundheitliche Aspekte in der Nahrung zu kümmern. Der Grat zwischen Übertreibung und Irreführung ist oft sehr schmal, und besonders umstritten sind gesundheitsbezogene Werbeaussagen und das Umgarnen von Kindern. Vor allem die rapide Ausbreitung von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Schlaganfall, bestimmten Krebsarten und Herzkrankheiten, die eine starke ernährungsphysiologische Komponente haben, bereitet Medizinern zunehmend Sorgen und belastet die Gesundheitssysteme. Grund genug für ein internationales Wissenschaftlerteam, die Zusammenhänge zwischen Konsum und Krankheit zu untersuchen. Jüngsten Schätzungen zufolge starben 2010 34,5 Millionen Menschen an nichtübertragbaren Krankheiten, bis 2010 könnten es bereits 50 Millionen Tote sein. In ihren Ergebnissen, die sie im renommierten medizinischen Fachblatt „The Lancet“ veröffentlichten, kommen die Forscher zum Schluss, dass internationale Lebensmittelkonzerne mit ihren Produkten als maßgebliche treibende Faktoren für diese Epidemie mitverantwortlich sind und gleichzeitig vom steigenden Verbrauch dieser ungesunden Nahrungsmittel profitieren. Die Lebensmittelindustrie als „Menschen-Mäster“? Das Urteil der Forscher ist eindeutig: Die Konzerne untergraben systematisch die Gesundheitspolitik und wenden die gleichen Methoden an wie die Tabakindustrie. Sie erklären die bisherige Strategie der Selbstverpflichtung und Aufklärung für gescheitert.


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